Chor „Viva Voce“ reist in St. Michael a capella bis in den orthodoxen Osten
Außergewöhnlich war schon die Besetzung: Neun Frauenstimmen stehen gleich zwölf mächtige Männerstimmen gegenüber. Der Chor Viva Voce, der an der Mühnchner Musikschule angesiedelt ist und bereits mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde, meisterte dennoch die Balance, die eben dunkeltönig und körperhaft unterbaut erklang. Die evangelische Kirche St. Michael in Wolfratshausen füllte sich somit selbst in den leisen Passagen mit einer fast plastischen Klangmasse
Mit dieser stimmlichen Substanz war das Ensemble in der Lage, auf seiner A-capella-Zeitreise „durch europäische geistliche Chormusik“ auch den orthodoxen Osten musikalisch zu erschließen. Margarita Burkhart*, weißrussin aus Minsk, vermittelte am Pult denn auch den unbedingt notwendigen Zugriff: präzis, kraftvoll, poiniert, gleichzeitig aber auch einfühlsam und überaus musikalisch modelliert. Mendelssohns Vertonung des Psalms 91 profitierte nicht minder von der dramatischen Größe, die dann in
op. 69/1 „Herr, nun lässest Du Deinen Diener in Frieden fahren“ zwischen lyrisch und rhytmisch nuancierte. Demgegenüber machte sich das Konzert Nr. XVI von Dmitrij Bortnjanskij (1751-1825) in der hymnischen, sich weit öffnenden Vertonung des
Psalms 145 „Ich erhebe Dich mein Gott, mein König“ gewaltig aus. Eine nahezu monumentale Huldigung, die Rachmaninow in seinem „Ave Maria“ ins Elegische übertrug und mit zarten Tönen kontrastierte. Das in russischer Sprache singende Ensemble profitierte von der musikalischen Lautbildung, die der klanglichen Charakteristik die nötige Substanz verlieh…
…Nach diesem Test kann der Chor getrost auf Jubiläumsfahrt nach Sankt Petersburg gehen. Vielleicht empfangen ihn dort seiner Qualität entsprechend mehr Zuhörer.
Reinhard Palmer